software-patente

Kurt Gramlich k3r at gmx.net
Fri Sep 12 10:02:35 CEST 2003


hallo politik liste:


hier ein Artikel aus der taz, der mir zugesandt wurde


Ein Softwarepatent löst Alarm in der Chefetage des World Wide
Web aus: Ein Kleinunternehmer verklagt Microsoft, weil Bill
Gates Browser das kann, was alle anderen auch können von PETER
MÜHLBAUER

Die Firma "Eolas" hat schon Ende der 1990er Aufsehen erregt,
als sie das Design von Internet-Hype-Begriffen, die den
Klammeraffen ("@") enthalten, für sich in Anspruch nahm und
Lizenzzahlungen dafür forderte. Nun leitet Eolas aus dem
US-Patent mit der Nummer 5.838.906, das es 1994 erwarb,
erneut ein Monopol auf bereits sehr verbreitete Praktiken ab.
Zahlen soll diesmal der Softwarekonzern Microsoft.

Die Patentschrift entwirft eine Idee, die im damaligen
Hypermedia-Rausch mehr oder weniger jedem Beteiligten
vorschwebte: Ein "System", das es dem Benutzer eines
Netzwerk-Browsers erlaubt, ein "eingebettetes
Programmobjekt" aufzurufen, auszuführen und mit ihm
interaktiv zu kommunizieren. Immerhin sind Ausführungen
detaillierter als in anderen Trivialpatenten: Sogar eine
modifizierte Version des Mosaic-Browsers liegt im Quellcode
bei. Aus diesem Grund kam das Geschworenengericht, vor dem
Eolas gegen Microsoft geklagt hat, zu dem Schluss, dass der
Internet Explorer des Softwarekonzerns sehr wohl das Patent
des Klägers verletze, weshalb ein Schadenersatz von 521
Millionen Dollar angebracht sei.

Ein bisschen viel auf einmal selbst für Bill Gates, und
außerdem steht nicht nur sein Internet Explorer auf dem
Spiel. Das Urteil rief auch das W3C-Gremium auf den Plan,
denn seine allgemein akzeptierten Standards für die
Web-Programmierung könnten mit betroffen sein. Aus dem
Konsortium, in dem auch Microsoft vertreten ist, drang
die Nachricht, der Softwarekonzern drohe damit,
Änderungen am Internet Explorer vornehmen. Mit einer
massiven Reduktion des Funktionsumfangs wäre dann in
jedem Fall zu rechnen.  Präzedenzfälle

Nach Angaben von Eolas deckt das Patent aber nicht nur
Browser mit Microsofts "ActiveX"-Technik ab, sondern
auch Java-Applets und andere interaktive Komponenten.
Bei Netscape, Mozilla und Firebird wären davon wohl nur
die wahlweise zuladbaren Programme des Browsers
("Plugins") betroffen. Bei Opera, dessen Browser zwar
kein ActiveX unterstützt, aber Java integriert hat,
hüllt man sich in Schweigen - offenbar, um nicht
versehentlich gerichtlich verwertbares Material aus der
Hand zu geben. So auch bei den anderen von einer
Patentklage bedrohten Firmen: Weder der
Flash-Hersteller Macromedia noch Sun Microsystems, wo
die Marken Java und JavaScript beheimatet sind, noch
die Anbieter der großen Onlinespiele möchten sich zum
Eolas-Fall äußern.

Womöglich ist das Eolas-Patent nur ein Vorbote
größeren Unheils: Zurzeit prozessiert die Firma
"Acacia Media Technologies" gegen 21 kleinere
Internetfirmen. Acacia besitzt fünf
US-Softwarepatente, die nach Ansicht der Firma
durch den Download, das Streaming sowie durch jede
andere Form des elektronischen Vertriebs von Filmen
und Musik mit Datenkomprimierung verletzt werden.

Die Patente ruhten fast ein Jahrzehnt lang in der
Schublade. Erst 2002 begann Acacia Ansprüche
anzumelden. Mit Bedacht suchte die Firma sich
ausschließlich kleine Pornoanbieter aus und
verlangte von ihnen knapp 2 Prozent der
Gesamteinnahmen als Lizenzzahlung. Die meisten
konnten und wollten sich einen kostspieligen
Prozess nicht leisten und zahlten. Bereits Mitte
der 1990er lagen die durchschnittlichen Kosten
für eine Patentklage in den USA bei 500.000
Dollar. Die wenigen, die sich trotzdem auf einen
Prozess einließen, haben schlechte Karten vor
Geschworenen und in der Öffentlichkeit. Sie
gelten als Schmuddelkinder des Web. Ist aber das
Patent erst einmal in einer Reihe von Prozessen
gegen sie bestätigt, so entstehen im
amerikanischen Rechtssystem Präzedenzfälle für
Klagen gegen seriöse Firmen.  Marktbereinigung

Auf die Frage, warum die Verletzung des Patents
für Microsoft nicht erkennbar war und ob das
Urteil eine Änderung der Haltung zu
Softwarepatenten nach sich ziehe, verweist
Microsoft-Sprecherin Irene Nadler lediglich auf
die offizielle Stellungnahme, in der eine
absichtliche Patentverletzung verneint und
Berufung gegen das Urteil angekündigt wird.
Unvermindert setzt Microsoft seine intensive
Lobbyarbeit für die Einführung von
Softwarepatenten fort. Der scheinbare
Widerspruch lässt sich leicht aufklären. Auch
wenn Microsoft gerade eine Schlacht verloren
hat, haben in einem Patentkrieg auf lange Sicht
nicht Außenseiter wie Eolas und Acacia die Nase
vorn, sondern große Konzerne mit einem breiten
Patent-Portfolio: Patentinhaber müssen ihre
Patente nicht lizenzieren, sondern können ihren
Einsatz auch verbieten.

Norbert Haugg, der frühere Präsident des
Deutschen Patent- und Markenamts, schätzt,
dass rund 95 Prozent aller Patente weltweit
noch nie verwertet worden sind. Ein Grund
dafür ist, dass große Firmen Patente
zunehmend nur als Drohwährung und zur
Ausschaltung von Konkurrenztechnologien
halten: Hat ein Konzern ein genügend großes
Portfolio an Patenten, kann er kleine
Unternehmen gerichtlich oder durch Drohung an
der Produktion hindern, während er andere
Konzerne ob ihres eigenen Patentarsenals
unbehelligt lässt.

Durch dieses "Cross-Licensing", eine Art
Patentkriegs-Waffenstillstand, entsteht ein
Oligopol von großen Unternehmen dessen
Mitglieder allein noch das Risiko der
Produktion von Software wagen können. Ein
einziges Programm kann hunderttausende von
Instruktionsfolgen enthalten, von denen
jede potenziell unter ein Patent fallen
kann. Unabhängige Entwickler können daher
das Risiko, neue Software zu schreiben,
kaum mehr eingehen, weil sie jederzeit
wegen Patentverletzungen verklagt werden
können, ohne von den angemeldeten
Trivialpatenten auch nur zu wissen. Das
Ergebnis ist paradox. Im Grunde haben heute
nur noch Firmen, die selbst gar nichts
produzieren, eine Chance, Softwaregiganten
zu verklagen, ohne durch deren
Patentarsenal ausgeschaltet zu werden.

Fragt sich, ob auch die Abgeordneten des
Europäischen Parlaments rechtzeitig davon
erfahren: Die Proteste gegen
Softwarepatente, an denen sich in den
letzten Wochen von der Universität Oxford
bis hin zum Programmierguru Donald Knuth
fast alles beteiligte, was in der
Informatik Rang und Namen hat, rüttelten
immerhin die sozialdemokratische Fraktion
so weit auf, dass dort nach Aussage der
Abgeordneten Evelyne Gebhardt
mittlerweile über engere Grenzen für die
geplante Softwarepatentrichtlinie
nachgedacht wird: "Technisch" und damit
patentierbar sollen Programme nur sein,
wenn sie "Naturkräfte kontrollieren."
peter.muehlbauer at gmx.net

taz Nr. 7154 vom 11.9.2003, Seite 18, 219 TAZ-Bericht PETER MÜHLBAUER

taz muss sein:



Viele Gruesse!
Kurt
-- 
LUG Ravensberg      http://www.lugrav.de
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