COMPUTERWOCHE-News - "Wir m�ssen die Innovationsrate von Open Source erst nutzbar machen"

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Mon Nov 6 19:10:42 CET 2000


Diese COMPUTERWOCHE-News vom 6. 11. 2000 schickt Ihnen Maik "The Iceman" Bischoff (maik_bischoff at yahoo.de).


Kommentar: Hallo LUG OWL,
ich denke der Artikel ist es wert gelesen zu werden.

Viele Gruesse

Maik

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"Wir müssen die Innovationsrate von Open Source erst nutzbar machen"

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Seit sechs Jahren bestehend, ist Red Hat eine 
der größten Linux-Distributionen und eine Macht in der 
Open-Source-Welt. Mit Bob Young, Mitbegründer und Chairman des 
Unternehmens, sprach CW-Redakteur Ludger Schmitz über Positionierung 
und Ziele.

CW: Funktioniert bei Red Hat das Open-Source-Business-Modell, Profite 
aus Services zu ziehen statt aus Lizenzen?

YOUNG: Bei unserem Börsengang vor ungefähr einem Jahr machten wir rund 
20 Millionen Dollar Gesamtumsatz, davon 50 Prozent aus dem Vertrieb 
der Linux-Distribution. Nach den Zahlen unseres letzten Quartals 
liegen wir jetzt bei etwa 80 Millionen. Die Distribution trägt dazu 
noch zehn bis 15 Prozent bei. Unsere Profitrate ist in den letzten 
zwölf Monaten von 38 auf derzeit 56 Prozent gestiegen, und wir wollen 
sie noch in diesem Jahr auf gut 70 Prozent bringen. Services sind ein 
hochprofitables Geschäft.

CW: Wann kommt Red Hat dann aus den roten Zahlen heraus?

YOUNG: Innerhalb der nächsten zwölf Monate. Wir übertreffen mit den 
Quartalsergebnissen regelmäßig unsere eigenen Voraussagen zur 
Geschäftsentwicklung.

CW: Red Hat hat einige Unternehmen übernommen. Ist es eine notwendige 
Strategie, sich möglichst schnell in Märkte einzukaufen?

YOUNG: Akquisitionen beschleunigen das Wachstum. Man kann sich eine 
Menge Entwicklung sparen, indem man die Entwicklerfirma kauft. Unsere 
Eigenwachstumsrate ist ziemlich genau 100 Prozent pro Jahr. Aber wir 
werden auch in Zukunft Technologien aufkaufen, die unsere Kunden 
brauchen, um Open-Source-Betriebssysteme so effektiv nutzen zu können 
wie Solaris oder AIX oder NT. Vom Gesichtspunkt der Funktionalität 
her haben wir bei Linux Nachholbedarf.

CW: Das Red Hat Network (RHN) soll nun den Serviceaspekt 
unterstreichen. Wie kommen Sie dazu, es gleich als "neues Business" 
zu bezeichnen?

YOUNG: AT&T hat 1928 in einer Untersuchung herausgefunden, dass die 
weitere Verbreitung von Telefonen begrenzt ist, weil das 
überproportional mehr Handvermittlungsstellen erfordert hätte. Die 
Folge war die Entwicklung von Selbstwählverbindungen. Wir stehen vor 
einer ähnlichen Schwierigkeit: Das Hauptproblem in der IT besteht 
darin, dass es generell zu wenig qualifizierte Systemadministratoren 
gibt, die mit anspruchvolleren Betriebssystemen jenseits von 
Windows-Systemen umgehen können. Unser RHN ist darauf angelegt, die 
Funktion der Systemadministration zu automatisieren.

Unser Linux besteht aus über 800 Einzelmodulen, die zum größten Teil 
ganz unabhängig von uns mindestens einmal pro Jahr ein Upgrade 
erfahren. Das heißt, ein Systemadministrator müsste rund drei Updates 
pro Tag mitkriegen, eine viel zu hohe Innovationsrate. Das ist 
eigentlich eine der besten Seiten der Open-Source-Welt, aber 
gleichzeitig ihr größtes Problem. Indem wir den Kunden im RHN diese 
Aufgabe der Systemadministration abnehmen, machen wir ihnen die 
Innovation erst realistischerweise zugänglich, ohne sie zu belasten.

CW: Die hohe Innovationsrate war doch wohl nicht der einzige Grund, 
warum professionelle Anbieter selbst dann Linux zögernd 
gegenüberstehen, wenn sie dem Konzept schon zugeneigt sind.

YOUNG: Vor drei oder vier Jahren lag das daran, dass wir eine zu 
kleine Firma waren, weswegen die DV-Leiter Microsoft und Sun 
vorzogen. Deswegen sind wir Partnerschaften mit Intel und Netscape im 
Herbst 1998 eingegangen sowie im Frühjahr 1999 weitere mit SAP, 
Oracle, IBM, Compaq, Dell und Novell. Immer in der Hoffnung, wenn die 
professionellen Anwender unserer kleinen Ingenieurtruppe aus North 
Carolina nicht trauen, dann aber den großen Namen. Die Kooperationen 
gingen aber nicht einseitig von uns aus, sondern die Kunden dieser 
Firmen hatten ihr Interesse an einer Alternative zu proprietären 
Betriebssystemen angemeldet.

CW: Haben denn die Kooperationen mit den Big Planern der IT Red Hat 
vorangebracht?

YOUNG: Und ob! Wir reden nicht mehr von ein paar Installationen von 
SAP R/3 auf Red-Hat-Linux, sondern das waren vier, fünf Monate nach 
der Ankündigung schon dreistellige Zahlen. Heute gibt es unzählige 
Beispiele, dass Anwender IBM DB2, SAPs R/3 und andere 
unternehmenskritische Programme auf Linux-Systemen laufen lassen. 
Derzeit gibt es eine Lawine von solchen wichtigen Anwendungen, die 
auf Linux gebracht werden. Diese Entwicklung und die zahlreichen 
Pilotprojekte bei den Anwendern werden sich in ein, zwei Jahren auch 
in den Marktanteilen niederschlagen.

CW: Und was macht Red Hat anders als die Traditionsnamen?

YOUNG: Die DV-Verantwortlichen sind von ihren Softwarelieferanten 
frustriert, weil der Verkäufer seinen Kunden kontrolliert. Wenn ein 
Autoverkäufer sich nicht um die Probleme eines Kunden mit seinem 
Wagen kümmert, warten schon ein Dutzend andere Verkäufer. Nur in der 
Softwareindustrie ist das anders. Ein Anbieter kann Software mit 
signifikanten Fehlern verkaufen, und für die Fehlerbehebung muss der 
Käufer auch noch bei der nächsten Version noch einmal zahlen. Die 
Hersteller verkaufen Programme unter Lizenzen, die es den Kunden 
verbietet, auch nur die Fehler zu beheben. Völlig hirnrissig.

CW: Immerhin haben die traditionellen Big Player sehr viel mehr 
Erfahrungen im Markt und mit den Kunden als diese jungen 
Open-Source-Firmen. Welche Chance habe Sie da überhaupt?

YOUNG: Wir haben eine Chance, wenn wir die richtigen Leute, das 
richtige Kaliber rekrutieren. Man schaue sich einmal an, welche 
Geschichte die Topleute bei Red Hat haben. Wir haben sehr erfahrene 
Leute. Es gibt keine natürlichen Grenzen für Open Source. Die einzige 
Grenze könnte die Kompetenz der Open-Source-Anbieter sein. Wenn IBM, 
Sun oder HP besser geführte Firmen sind als Red Hat, Suse oder VA 
Linux, dann hat Open Source keine Chance.

Der Trend geht zu Open Source, da sehe ich ebenso wenig Grenzen, wie 
Microsoft sie damals für Windows-PCs sah. Und wir sprechen mit Linux 
einen größeren Bereich an: von den Mainframes bis zu den PCs und noch 
weiter zu den Embedded Devices wie PDAs und Handys. Wir erleben 
überall eine unglaublich Dynamik am Markt, die die aktuellen 
Verhältnisse in der IT komplett umkrempeln könnten.

CW: Noch aber sind es vor allem Web-Server, auf denen Linux eine 
starke Marktposition hat.

YOUNG: Keine Frage, die Killerapplikationen, die auch den Erfolg von 
Red Hat ausmachen, sind Internet-Anwendungen: Apache-Web-Server, 
FTP-Server, Print-and-File-Server, Domain-Naming-Technologie, 
Sendmail, kurz und gut: Internet-Technologie. Was ist der am 
schnellsten wachsende Teil der IT-Industrie heute? Internet und 
Intranet.

CW: Gleichwohl kommen von den professionellen Anwendern Einwände, Open 
Source sei nicht für anspruchsvolle IT-Aufgaben geeignet.

YOUNG: 1994 habe ich Linux nur an Enthusiasten vertreiben können, die 
sich für jede neue Technologie interessieren. Solche Leute brauchen 
keine vorinstallierten Linux-PCs von Dell, aber sie sind ein marginal 
kleiner Teil der IT-Anwender. Der Rest der Welt kauft keine 
Technologie. Alle anderen würden eher Papier und Bleistift benutzen, 
wenn es keine andere Technologie gäbe, die den Anforderungen ihrer 
Unternehmen besser gewachsen wäre. Es braucht also IT-Firmen, die 
Technologie in Lösungen umwandeln. Darum ist IBM die weltgrößte 
Computerfirma, deshalb sind EDS und Arthur Andersen erfolgreich.

CW: Noch aber wird der Open-Source-Trend zu einem bedeutenden Teil von 
Leuten vorangetrieben, die aus Spaß programmieren und weniger aus 
Interesse an Business-Lösungen.

YOUNG: Also muss die Open-Source-Bewegung über den Kreis der 
Enthusiasten hinausgehen. Der PC ist in einem Kreis von 
Technik-Freaks entstanden, im Homebrew Computerclub wurden alle 
möglichen Teile zusammengelötet. Der PC hat erst Aufmerksamkeit 
erregt, als IBM aus dem Chaos an Hardwareteilen einen Standard 
gemacht hat. Die Parallele zu heute besteht darin: Firmen wie Suse 
und Red Hat müssen die Open-Source-Technologien strukturieren. Die 
Community kriegt es nicht geregelt, aus 800 Softwareentwicklungen ein 
Paket zu schnüren. Das Chaos von Technologien muss organisiert 
werden, es muss in Lösungen verwandelt werden.

Man kauft ein Auto und nicht die ganzen Einzelteile, um sich eins zu 
bauen. In der IT geht das auch so. Bis auf ein paar Techies will sich 
niemand aus Kernel, Libraries, X-Window-System, Apache und noch 
einigen Dutzend Programmen etwas zusammenbasteln. Die Anwender wollen 
komplette Lösungen für ihre Aufgaben. Kein IBM-Kunde fragt nach Linux 
als Betriebssystem, sondern nach Lösungen ohne proprietäre Fesseln.

CW: Gerät Red Hat dadurch zunehmend in die Rolle des 
Systemintegrators?

YOUNG: Nein, VA Linux ist schon eher in der Rolle. Wir bleiben der 
Lieferant des Betriebssystems. Allerdings definieren wir das nicht im 
engeren Sinne. Für uns sind Low-Level-Applikationen wie der 
Apache-Web-Server oder FTP-Server Teile der 
Betriebssystem-Infrastruktur.

CW: Sehen Sie in Embedded Systems den nächsten Bereich, in dem Linux 
erfolgreich sein könnte?

YOUNG: Linux wird ein Erfolg bei Embedded Systems, besser gesagt: bei 
allen Appliances. Die meisten Leute werden, ganz anders als heute 
Windows auf PCs, Linux verwenden, ohne es zu bemerken, in PDAs, in 
Handys, in Settop-Boxen, in Appliances aller Art.

CW: Hat der PC keine Zukunft?

YOUNG: Es wird Leute geben, die Linux auf PCs verwenden. Der PC-Markt 
ist groß und reif, aber er ist ein Legacy-Markt. Dieser 
Altlastenmarkt macht es 16-jährigen Hackern möglich, 
Unternehmensnetze zum Zusammenbruch zu bringen. PCs und Windows sind 
Technologien der 80er Jahre, die nicht für Internet-Zeiten taugen.

CW: Wie beurteilen Sie die Beteiligung von Microsoft an Corel? Ist das 
der Einstieg der Redmonder in Linux?

YOUNG: Nein, in erster Linie muss man den Fall ähnlich beurteilen wie 
die Beteiligung von Microsoft an Apple. Sie haben ein Quasimonopol 
bei Betriebssystemen und bei Anwendungen auf Desktops. Sie müssen 
einen Wettbewerber am Leben erhalten, der ihren Dateiformaten folgt. 
Ihre IT-Welt darf nicht von den Rändern her abbröckeln. Wenn sie aber 
ihre File-Formate weiter diktieren können, kontrollieren sie auch die 
zukünftigen Standards, nach denen Internet-Appliances miteinander 
kommunizieren werden. Dafür sind 135 Millionen Dollar eine billige 
Investition, für die kostenlose Linux-Software von Corel wäre das 
rausgeschmissenes Geld. Die könnte Bill Gates von Red Hat oder Suse 
kostenlos downloaden, Sourcecode inklusive. Wenn man Microsoft auch 
sonst nichts zubilligen mag, es ist eine außerordentlich intelligente 
und taktisch kluge Firma.

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