Sperrungsverfuegung
Patrick Willam
p.willam at gmx.de
Wed Sep 18 23:13:02 CEST 2002
Florian Lohoff schrieb
> On Wed, Sep 18, 2002 at 08:40:24AM +0200, Jan-Benedict Glaw wrote:
> > Vielleicht nicht allzu viel, aber - ist Dir aufgefallen, daß sich
> > _besonders_ Leute, die im Bereich der Freien Software
> > arbeiten/programmieren ganz _besonders_ über Zensur (unter anderem auch
> > über Verstecken von rechtem Material, obwohl die Nasen sicherlich alles
> > andere als rechts sind) aufregen? Muß also schon irgendwie 'was
> > miteinander zu tun haben, und wenn's nur weltoffenheit ist!
>
> Dann haben die leute etwas miteinander zu tun - Aber nicht die Sache.
Ich glaube, JBG hat erkannt, worauf ich hinauswollte:
> Eine Freie Meinung in einem Freien Kopf für einen Freien Staat
> voll Freier Bürger
> Gegen Zensur im Internet
<zitat>
Thomas Krüger, der Präsident der Bundeszentrale für politische
Bildung, formulierte es in einer Rede so:
"Es hat sich gezeigt, dass mit Entwicklungen wie freier Software,
so genannten Peer-to-Peer Netzwerken und anderem eine grundlegende
soziale und politische Dimension der neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien sich zu Wort meldet.
Die darin breit angelegte Möglichkeit der Aufhebung der strikten
Trennung von Sender und Empfänger hat große Schnittmengen mit
der politischen Idee des mündigen Bürgers."
[Quelle: Volker Grassmuck, "Freie Software", Vorworte, S.10]
</zitat>
Frank Siemonsmeier schrieb:
> Eine Argumentation einer Volkspartei war:
> "Der Staat hat Fuersorgepflicht fuer seine Buerger, auch fuer
> Volljaehrige, und muss daher Kontrolieren, was der Buerger sieht."
Freie Software hat also auch eine politische, eine soziologische, eine
kulturelle, eine wirtschaftliche, eine humanitäre, eine bürgerrecht-
liche, ... Dimension
Das geht über die blosse Sache (den Code) hinaus und betrifft Leute.
Die Sache (der Code) *und* auch die Leute sind von äußeren Umständen
abhängig. Diese Umstände, die die Voraussetzung für die Entwicklung
darstellen, sind auf unterschiedliche Art von verschiedenen Richtungen
bedroht.
Und es sind "auf der anderen Seite" auch keine _Sachen_, die versuchen,
freiheitliche Grundrechte einzuschränken, sondern _Menschen_.
Meine Idee war eine Werbekampagne. Ich glaube, Eric Raymond hat recht,
wenn er sagt, dass es darum ginge, einen Markennamen aufzubauen. Es muss
ein Image aufgebaut werden, mit dem selbst Lieschen Müller und auch Max
Müller direkt positive Inhalte verbinden (diese pos. Inhalte sind ja
durchaus gegeben).
So wie "Brille: Fielmann". Solche Slogans etc. sind natürliche eine so weit
verkürzte Darstellung der Dinge, dass sie das Original ("Brille") fast
völlig entfremden. ABER: das wirkt; -- und Werbung, die wirken will,
arbeitet so.
Wenn man dann die Leute erstmal "im Laden" hat, dann kann man in aller Ruhe
das gesamte in Frage kommende Angebot zeigen. Aber erstmal muss man die
Leute (die grosse Allgemeinheit) dazu bringen, hereinzukommen; bzw. genauer
gesagt: sich darauf einzulassen -- zumindest in ihrem Kopf.
McDonals wirbt auch immer nur mit einem Produkt statt mit ihrem gesamten
Sortiment. Das höchste der Gefühle ist, dass man darauf hinweist, dass es
das Ganze (den Burger, das Eis, den Softdrink) jeweils in verschiedenen
Geschmaksrichtungen und Zusammenstellungen gibt. Die Vor- und Nachteile
der einzelnen Variationen werden nicht im Detail eruiert.
Von Freier Software / Open Source im Allgemeinen und Linux im Besonderen
gibt es auch reichlich verschiedene "Flavours". Diese Begrifflichkeit kommt
nicht von ungefähr und man sollte es auch so an die Frau/den Mann bringen.
"Linux auf allen Desktops" ist die eine Seite; mir ist es aber wichtiger
die freiheitliche Idee, die dahintersteckt, unters Volk zu bringen.
Da es auch diese anderen Dimensionen (s.o.) gibt, geht es darum,
*_möglichst_vielen_ Leuten auf _möglichst_einfache_ Art* klar zu machen,
dass nicht nur die, die direkt mit dem Code hantieren oder eine Maus
schubsen, von Freier Software profitieren, sondern auch viele andere;
selbst wenn sie nicht "Linux auf allen Desktops" haben.
Die Botschaft, die ich meine, ist (etwas ausführlicher formuliert):
"Auch DU profitierst von Freier Software, selbst wenn du keine hast!
Hilf also mit, die freiheitlichen Rahmenbedingungen zu erhalten.
Gegen Zensur, gegen Software-Patente, gegen Euro-DMCA, gegen Krypto-
graphieverbot, Monopolbildung, ...
Denn ohne Freie Sofware schaust auch du blöd aus der Wäsche."
Auch wenn man selbst keine Ausländer als Freunde oder Kollegen hat,
mit "Ausländer raus" sind alle im Nachteil; -- versuch dir ein
Deutschland ohne die Ausländer vorzustellen. Es ist kein funktions-
fähiges Deutschland.
Ich will jetzt nicht die Ausländer-"problematik" beleuchten; das war
nur um Analogien aufzuzeigen.
Mit den technischen Details und den juristischen Feinheiten kann man
immer noch im dritten Schritt wuchern.
Der erste Schritt wäre, der Allgemeinheit nahe zu bringen, dass JEDER
was von Freier Software hat.
Der zweite Schritt wäre, die "Bedrohungen", der sich die Freie SW
entgegensieht, so zu kommunizieren, dass die möglichen Nachteile
für die Allgemeinheit konkret werden.
[Sehr] langer Rede kurzer Sinn:
Es geht _zunächst_einmal_ *nicht* um die feinen Unterschiede zw.
Freier Software, Open Source, Public Domain etc.
Es geht _zunächst_einmal_ um die Gemeinsamkeiten.
Und noch viel wichtiger: die _gemeinsamen_*Vorbedingungen*_ !
(Das Internet ist auch eine dieser Vorbedingungen,
womit hoffentlich den Bezug zum Topic klar wird)
Wer die Vorbedingungen für freie Software einschränkt, der schränkt
_nicht_nur_ einigen Code-Schreiberlingen das Spielfeld ein.
Er schränkt _auch_ den mündigen Bürger ein,
er schränkt _auch_ die freiheitlich demokratische Grundordnung ein.
"Reporter ohne Grenzen" haben auch das Internet auf die Liste der
Kollateralschäden der durch den 11.09.2001 bedingten Maßnahmen
gesetzt.
Ich möchte nicht, dass unsere Verfassung auch auf die Liste kommt.
Vielleicht war meine voraus gegangene Mail etwas verkürzt und z.T.
überspitzt, so dass ich mit solchen Gegenfragen hätte rechnen sollen.
Ich hoffe, ich konnte meine Absicht, die hinter voriger Mail steckte,
etwas verdeutlichen.
Für weitergehende Detailfragen bietet sich IMHO das persönliche Gespräch
auf einem LUG-Treffen oder schriftlich die PM an.
Nach meiner Einschätzung ist das von mir eben fabrizierte _sehr_hart_
an der Grenze dessen, was die "Nutzung" der ML angeht.
Bin für Rückmeldungen offen und erbitte hiermit ausdrücklich Stellung-
nahmen, ob das alles da oben "gerade noch so" ging, oder es schon
"way too much" war, und nicht wieder vorkommen sollte.
Mit dem allerbesten Dank für das Interesse jedem, der sich bis hierhin
"vorgekämpft" haben sollte.
Patrick Willam
--
If you think technology can solve your security problems, then you don't
understand the problems and you don't understand the technology.
-- Bruce Schneier, Counterpane Inc., 08/2000
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